Montag, 2. Oktober 2017

Armenien ist anders

Die Russen machten noch einmal den Übersetzer, so dass ich heute morgen zu zwei Spiegeleiern und einem ordentlichen Kaffee kam. Der Himmel war blau, die Temperaturen angenehm. Meine Wirtin ließ sich gerne photographieren, der Islam ist in Armenien kaum verbreitet. Es ging dann stracks den Berg hoch, und die Straße war trotz Asphalt mehr schlecht als recht. Viele Schlaglöcher, die immer nur mit Flicken ausgebessert werden, man sieht, Armenien fehlt es an Geld. Sehr bald zogen die ersten Wolkenfetzen über die Strasse, und es wurde deutlich einstellig, was die Temperaturen anbelangte. Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich wieder gefroren. Zum Glück ging es dann abwärts, zunächst an Kadzharan vorbei bis Kapan. Das ist eine kleine Stadt direkt an der Grenze zu Nagorno-Karabakh und besteht hauptsächlich aus Wohnblöcken. Als ich Pause machte, fuhr ein Schweizer mit einem zum Wohnmobil umgebauten 4x4-Truck vorbei, aber der grüßte nur kurz per Handzeichen, zum Anhalten hatte er wohl keine Zeit. Auch bei den Fernreisenden gibt es ja eine Art Hierarchie, da bilden die Radler, die Biker und die Wohnmobilisten oft ihre eigenen Gruppen. Apropos Fahrzeuge, da hat sich das Bild seit dem Iran komplett gewandelt. Waren dort Peugeot und die Koreaner am stärksten vertreten, ist es in Armenien eindeutig Mercedes, aber auch Volkswagen. Vor allem die älteren E-Klasse Modelle, aber auch die neuen C-Klasse und hin und wieder ein S-Klasse-Modell oder gar ein Mercedes G für umgerechnet über 100000 Euro. Das Durchschnittseinkommen der Armenier beträgt 300 Dollar im Monat, aber es gibt einfach extreme Unterschiede zwischen arm und reich.
Immer an der Grenze lang ging es weiter bis Goris, und die Wolken wurden immer dunkler. Die Straße wurde noch schlechter, und es fing an zu nieseln, so dass ich mein Regenzeug anziehen musste. So wollte ich Armenien nicht erleben, der Temperatursturz war schon krass. Statt besser wurde die Straße noch schlimmer, weil durch die vielen Lkws vor allem beim Bremsen auf den vielen Gefällstrecken trotz Teer eine Wellenstruktur entstanden war, die für meine Pobacken schon eine rechte Tortur waren. Inzwischen regnete es auch richtig und hinter Goris kamen dichte Wolken und Nebel dazu, so dass ich keine 3 Metern mehr sah. Auch die Autos fuhren zum Glück mit Warnblinkanlage in Schrittgeschwindigkeit. Das fand ich schon richtig gefährlich, aber ich musste ja weiter. Zweimal stand ich im Nebel plötzlich einer Rinderherde gegenüber, die üblicherweise von Reitern und Hunden begleitet auf der Straße bewegt wird. Besonders die Hunde sind gleich auf mich los, ich musste mich mit Fußtritten wehren. Irgendwann ging es zum Glück wieder runter, und in Vayk fand ich in letzter Minute eine Tankstelle. Plötzlich höre ich deutsche Sätze: zwei Männer mit ihrem Vater hatten sich für 5 Tage ein Auto geliehen und machten einen Kurztrip durch Armenien. Sie wünschten mir keinen Regen, aber gleich danach ging es mit Blitz und Donner wieder weiter. Ursprünglich wollte ich gar nicht nach Yerevan, sondern zum Lake Sevan. Dazu hätte ich aber noch einmal über einen mehr als 2400 m hohen Pass gemusst, und in Anbetracht der vielen Blitze in den Bergen erschien mir das nicht ratsam. Stattdessen fuhr ich im strömenden Regen zur Hauptstadt, wenigstens auf ganz guter Straße. Vom Ararat sah ich natürlich nichts, es war den ganzen Nachmittag durch die Wolken so dunkel, dass man das Gefühl hatte, in einer Viertelstunde ist es Nacht. Die Hotelsuche gestaltete sich schwierig, aber schließlich fand ich eines ohne Frühstück für etwa 35 Euro. In einem Laden um die Ecke war dann eine sehr nette junge Armenierin mit Baby, die super Englisch sprach und alles über meine Reise wissen wollte. Irgendwie bin ich in Armenien noch nicht so richtig angekommen. Die Menschen sind freundlich, aber zurückhaltender als im Iran. Bestimmt wäre es lohnenswert, mal einen gesonderten Urlaub hier und in den Nachbarländern Georgien und Aserbaidschan zu verbringen. Morgen werde ich bei weiterem Regenwetter direkt nach Tbilisi durchstarten, bei Trockenheit aber noch den Umweg über Vardzia machen. Das Internet hier ist mal wieder unter aller Kanone, also Geduld, und die paar Bilder gibt es später.  (Track32)
meine Wirtin an der Grenze
auf über 2500 m war es schon ganz schön kalt
Kapan - für uns vielleicht trist, für die Armenier Luxus
ein See hinter Kapan
ziemlich kärglich leben die Bauern in den Bergen
94% der Bevölkerung sind orientalisch-orthodoxe Christen

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