Sonntag, 24. September 2017

Yazd

Die Klimaanlage im Zimmer pustet mehr Luft ins Zimmer als sie diese abkühlt. Ziemlich gerädert wachte ich im viel zu warmen Zimmer auf und ging erst mal ins Restaurant zum Frühstück. Endlich mal Bohnenkaffee und Milch, was für ein Genuss. Die beiden Motorräder, die gestern noch davor standen, eines davon aus Indien, waren leider nicht mehr da.
Danach ging ich erst mal in die Freitagsmoschee (2 Euro Eintritt), aber außer Touristen waren kaum Menschen drin. Gestern Abend waren in der näher am Hotel gelegenen Moschee am Grab von Seyyed Rukn ad-Din aus dem Jahr 1325 n.Chr. noch rhythmische Sprechgesänge und mächtige Trommeln zu hören gewesen. An einem hölzernen Naql vorbei, wie er bei Trauerprozessionen getragen wird, verirrte ich mich bald im Gassengewirr der Lehmhäuser, die auch zum Weltkulturerbe gehören. Sie werden behutsam Stück für Stück renoviert, aber viel Arbeit ist noch notwendig. Charakteristisch sind die vielen Windtürme. Ohne Navi hätte ich aus dem Gewirr nicht mehr herausgefunden, oft sieht man die Kuppel einer Moschee, aber findet den Weg dahin nicht. Zuletzt schaute ich mir von einem Dachgarten das Ganze noch von oben an, bevor ich vor der Hitze in mein Zimmer flüchtete. Yazd liegt auf nur 1200 m Höhe und ist der Wüste schon wieder recht nah. Es profitierte davon, dass es auf dem Handelsweg nach Indien lag. Durch das nahe bis zu 4000 m aufragende Gebirge steht über unterirdische Kanäle (sogenannte Qanate) genügend Wasser zur Verfügung, Yazd ist berühmt für seine Granatäpfel, daneben auch für seine Seidenproduktion. Heute leben etwa 350000 Menschen in der Stadt.
hier rechts ist die Tür zum Innenhof und meinem Zimmer
der Naql wird bei Prozessionen getragen
die Freitagsmoschee von Yazd
hier wird gepredigt
nicht viel los am Sonntag Vormittag, aber wir sind ja auch nicht in Bayern ....
UNESCO Weltkulturerbe, die Altstadtgassen von Yazd
Andenken-Shop
hier muss noch restauriert werden
alt und jung ...
Moschee von der Dachterrasse aus
Gasse mit Windturm - sehr schön schattig
die beiden Minarette der Freitagsmoschee
das Hotel Silkroad
Nachdem ich Buch Nummer 3 im Zimmer ausgelesen  und den ersten Teil des heutigen Blogs fertig gestellt hatte, machte ich mich bei Sonnenuntergang und angenehmen Temperaturen noch einmal auf den Weg zur Dachterrasse wegen ein paar schöner Fotos. War aber gar nicht so berauschend wie in manchen Internetseiten zu lesen. Die meisten Windtürme sind nicht angestrahlt, und die Kuppeln und Minarette der Moscheen kommen erst bei Dunkelheit richtig zur Geltung. Aber es war eine schöne Stimmung, unten spielten ein paar Jungs Fußball, aus den Lautsprechern sang der Muezzin, und das Leben kehrte nach der Hitze des Tages wieder zurück auf die Straßen. Auf dem Rückweg hörte ich wieder das Getrommel und den Sprechgesang. Das kam aber doch nicht aus der Moschee, da saßen nämlich viele Männer und Frauen beim Tee und im Gespräch, sondern aus einem Haus daneben. Ich schaute zur Tür rein, und die Jugendlichen mit den Musikinstrumenten luden mich gleich ein, rein zu kommen, was ich nach dem Schuhe ausziehen auch tat. Einer gab mit einem Sprechgesang das Tempo vor, dann folgte eine Riesentrommel mit mindestens 1 m Durchmesser, eine kleine dazu, einer mit einer Art Trompete und noch mehrere Schellen. Das alles in einer Wahnsinnslautstärke, und mit vielen anderen Jugendlichen als Zuhörer. Ich wollte die Stimmung nicht kaputt machen und habe auf Fotos verzichtet. Vor der Moschee ist um diese Zeit immer Treffpunkt der jungen Männer auf ihren Mopeds. Ein paar schenkten Tee aus, alle redeten miteinander, Touristen durften auch dazu. Eine tolle Stimmung, mir gefällt Yazd ausnehmend gut. Später ging ich zum Abendessen ins Hotel, es gab leckeres Kamelgulasch, auch um die Neuigkeiten von der Bundestagswahl mitzubekommen. Ich habe ja noch zu Ulli am Telefon geulkt, dass im Iran die Uhren 2 1/2 Stunden vorgehen und ich das Ergebnis schon wüsste: AfD 12%, FDP 10% und SPD 20%. Dass es tatsächlich so schlimm kommen könnte, damit hatte ich aber nicht gerechnet. Die SPD kann sich bei Schröder herzlich bedanken, das war mal eine Partei, die sich der kleinen Leute angenommen hatte. Ob Gabriel mit seiner Taktik, schnell noch zum Außenminister zu wechseln, Erfolg haben wird, wird wohl davon abhängen, ob es eine Fortsetzung der Großen Koalition geben kann oder gar die unsägliche FDP wieder mitmischen darf. Vielleicht würde es der SPD gar nicht schaden, sich einer Grunderneuerung zu unterziehen und festzustellen, was ihre eigentlichen Werte sein können. Ich kann nur hoffen, dass dieses Ergebnis der AfD nur ein Ausdruck von Protest war und diese Partei bei der nächsten Wahl die 5%-Hürde nicht mehr schafft, ansonsten sehe ich über 80 Jahre nach den Nazis wieder wirklich schwarze Wolken am Horizont aufziehen. Trump, Brexit, AfD, wie soll das weiter gehen?
Ich war trotzdem noch einmal bei den bösen Ausländern und bin für einige Nachtfotos unterwegs gewesen. An der Moschee am Grab von Seyyed Rukn ad-Din war gerade Gebetsstunde, besser Gesangsstunde. Die Frauen saßen hinten, die Männer standen vorne im Halbkreis um den "Einpeitscher" am Mikrofon. Der sagte etwas, dann fingen die Männer an zu Singen, zuerst noch melodisch, dann zunehmend  im Stakkato, und warfen die Arme dabei mal nach oben und nach vorne. Zwischendurch kam wieder der vorne dran, und das Ganze steigerte sich immer mehr und machte offenbar allen viel Spaß. Dieses Gefühl, Mitglied dieser Gruppe zu sein und diesen Gesang gemeinsam zu zelebrieren, ist von unserer Lebensart, möglichst unabhängig von anderen Menschen und selbst bestimmt zu leben, ganz unterschiedlich. Natürlich kann eine solche Gruppe leichter beeinflusst werden, und ich hatte auch die Empfindung, das kann sich bei entsprechendem Agitator auch ganz leicht gegen jemanden wenden. Aus diesem Grund habe ich von der Türe aus nur zugeschaut und zugehört. Später beim Fotografieren auf der Straße kamen dann zwei Jugendliche aus dem Kreis zu mir, schüttelten mir die Hand und wollten auch auf das Foto. Ich denke, wenn man länger hier verweilen würde, die Iraner würden es einem leicht machen, sich mit dem Leben hier zurecht zu finden.
Blick auf die Freitagsmoschee
die Windtürme sind die Wahrzeichen von Yazd
die beiden Minarette der Freitagsmoschee
die geben jedem Ausländer die Hand
so ist der Blick vom Eingang des Silkroad Hotels

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