Freitag, 22. September 2017

Shiraz

Um 6 Uhr morgens wachte ich vom Gekeife einer Frau im Nebenzimmer auf. Das Pärchen mit Kindern hatte sich schon gestern Abend gezofft. Im Iran geht es da genauso zu wie bei uns. Ich bin dann zeitig zum Frühstück gegangen, wo die Deutschen und einige andere Touristen gemeinsam mit vielen Iranern schon die erste Mahlzeit zu sich nahmen. Im Iran isst man zum Frühstück schon Suppe, Pommes Frites und Gemüse, alles Sachen, die es bei uns immer erst zu Mittag gibt. Aber irgendetwas finde ich schon, zur Not die süßen Kuchen und Datteln.
Shiraz hat wohl schon 2500 Jahre Geschichte hinter sich, inzwischen leben etwa 1,5 Millionen Menschen hier. Kurzzeitig war es auch mal iranische Hauptstadt. Klimatisch ist es durch die Höhenlage sehr gemäßigt, so dass vor der Revolution besonders die Weingärten mit der Shiraz-Traube berühmt waren. Die ist allerdings inzwischen verboten und wird heute in Australien und Südafrika angebaut. Als Einstieg machte ich erst einmal einen Rundgang durchs Viertel, zunächst zur Festung. Der eine Turm ist etwas in Schieflage geraten, hier war die Residenz des Herrschers. Gegenüber ist das Pars Museum, das ich mir aber nur von außen angesehen habe. Anschließend ging ich zum Bazar, der aber wegen Freitag zum großen Teil geschlossen war. Außerdem war ich einfach noch zu früh dran, die meisten Läden machen erst um 10 Uhr langsam auf. An der Vakil-Moschee aus dem Jahr 1772 war dann so ein Trubel mit so vielen schwarz-gekleideten Frauen, dass ich mich gar nicht so richtig ran getraut habe. Stattdessen ging ich langsam wieder zum Hotel zurück.
Dort versuchte ich dann meinen Plan vom Reifenwechsel umzusetzen. Der Verkaufsladen mit den zwei KTM EXC hatte heute gar nicht geöffnet, aber es gab einige kleinere Straßenläden, bei denen an Moppeds geschraubt wurde. Ich fuhr gleich mit dem Motorrad zu einer hin und zeigte in meinem Bilderbuch auf "Reifenwechsel". Zufälligerweise geriet ich an einen, der sprach ein paar Worte Deutsch und auch ein paar Brocken Englisch. Wie er mir später erzählte, arbeitet er an einem CNC-Gerät als Mechatroniker. Die Iraner haben oft eine App auf ihrem Handy, die zwischen Englisch, Deutsch und Farsi übersetzen kann. Ich kann mit deutscher Tastatur meinen Text schreiben, und er schreibt seinen auf Farsi. Dabei kam heraus, dass er 27 Jahre alt ist und hofft, im nächsten Jahr nach England gehen zu können. Alle dort wollen nach Europa, einige haben es auch schon geschafft. Der Bruder des einen ist in Hamburg und arbeitet bei Airbus. Per Schleuser kostet es nach Italien 30 Millionen Rial, das sind etwa 650 Euro. Ich musste ja einige Zeit warten, bis ich dran kam, weil es noch andere "Kunden" gab, da gab es viele Informationen.
Der Chef des Ladens hat dann meine Reifen gewechselt, was so etwa 2 Stunden dauerte, weil immer einer dazwischen kam mit irgendetwas. Ich hatte mein Werkzeug gar nicht erst ausgepackt, aber er hatte alles da. Alle paar Minuten kam ein neues Gesicht, der sich für das Mopped interessierte und seinen Fahrer. Der Chef kam übrigens aus Afghanistan, hat selbst die Kämpfe dort mitbekommen, und wollte natürlich auch weiter nach Europa. Er hatte einen Taubstummen als Gehilfen, die Beiden haben das prima gemacht. Leider wollte er auch gerne neue Schläuche reinziehen, jetzt ist mein Ersatz weg. Aber auf der anderen Seite auch zusätzliches Gewicht. Mit Freude machte der Chef dann eine Proberunde auf meiner KTM, die Iraner dürfen ja normalerweise nur maximal mit 250 ccm rumfahren, schaffen damit aber auch über 100 km/h. Als es ans Bezahlen ging, meinten alle, 500000 Rial seien genug, also ein wenig mehr als 11 Euro. Ich habe ihm dann das Doppelte gegeben, und die alten Reifen samt Schläuchen durfte er auch behalten, da war er happy. Die Reifen sind jetzt 14000 km gefahren worden, und die hätten auch noch bis zum Ende gehalten. Schön blöd, wenn man auf die Kommentare im Internet hört. Da schrieb einer, auf seiner KTM 690 seien die Sahara3-Reifen nach 2500 km platt, andere schrieben von 5000 km. Ich habe immerhin einschließlich mir in Montur und Gepäck mindestens 160 kg Zuladung drauf gehabt, und die Reifen haben dafür toll gehalten. Da hätte ich mir jeden Tag viel Arbeit beim Auf- und Abrödeln sparen können. Schnee von gestern, ab morgen geht das alles schneller.
Nach ein wenig Relaxen im Hotel bin ich dann am Nachmittag noch zu Fuß zum Grab von Hafis gegangen. Zunächst jedoch kam ich am Mausoleum von Shah Cheraq vorbei. Hier wird Seyyed Mir Ahmad verehrt, ein Bruder des 8.Imans Reza. Er starb 835 in Shiraz, der Grabbau wurde im 15.Jahrhundert errichtet. Diesmal habe ich mich reingetraut, bin erst eine Weile im geschmückten Innenhof gesessen und habe dann meine Schuhe ausgezogen und bin in die Moschee. Überall dicke Teppiche, auf denen Betende sitzen oder knien. Das Heiligengrab heißt auch "Schah des Lichts", weil das Innere komplett verspiegelt ist und damit eine ganz eigene Atmosphäre schafft. Irgendwie habe ich mich bei den ganzen Betenden dann doch nicht so wohl gefühlt und bin wieder nach draußen. Es hat mich aber niemand böse angeschaut, es hat sich auch niemand an mir gestört.
Ein Stück später kam ich direkt gegenüber dem Grab von Hafis an einem Freischwimmbad vorbei, von einer Mauer vor neugierigen Blicken geschützt. Es waren natürlich nur Männer drin, aber sonst sah es aus wie bei uns. Hafis, auch Hafeziyeh genannt, lebte von 1326-90 und bildet zusammen mit Sa'di (1184-1292!) das Dichter-Duo von Shiraz. Selbst Goethe hat sich im "West-östlichen Diwan" Hafis zum Vorbild genommen. Hafis "Diwan" ist das Haus- und Stunden-Buch eines jeden Iraners. Seine Verehrung geht so weit, dass dieses Werk wie ein Orakel zum Ausblick auf die Zukunft gedeutet wird. Die Gedichte sprechen von Anbetung und Liebe, von Wein und Genuss. Sie sind eine Ode an die Freude des Daseins, klagen oft Kleingeist und "Pfaffen" an. Die beiden Dichtergräber wurden mir von den jungen Leuten beim Reifenwechsel auch alle als "must see" genannt. Entsprechend voll war es da natürlich, zwei Reisebusse standen davor. 20000 Tuman, also etwa 4,50 Euro, kostete der Eintritt.
Danach spazierte ich noch zum ersten Hotel in Shiraz, dem gleichnamigen Hotel Shiraz. Als ich dann wieder in "mein Viertel" einbog, war da inzwischen die Hölle los. Wie bei uns am Sonntag gibt es hier am Freitag den Jahrmarkt; alles, was man haben will oder auch nicht, gibt es da, und es gibt kaum ein Durchkommen. Schrauben, Vögel, Teppiche, Geschirr,  es gab nichts, was es dort nicht gab, und jeder hatte dutzende von Plastiktüten mit Einkäufen in der Hand. Dazwischen natürlich immer die, die den Müll nach Verwertbarem durchsuchen, das ist mir heute in Shiraz besonders aufgefallen.
Morgen will ich zeitig aufbrechen und mir zunächst Persepolis ansehen. Danach geht es bis Yazd. Wieder ein langer Tag.
Wasserspender

der schiefe Turm der Festung
Pars Museum
beim Eingang zum Bazar
modebewusst sind die Iranerinnen allemal
am Freitag habe viele Läden zu
Nüsse jeder Art
an der Vakil-Moschee hat mich der Mut verlassen
Obst und Gemüse aller Art
Kinder freuen sich überall an denselben Dingen, wenn sie sie sich leisten können
geniale Konstruktion, wenn man keinen Hauptständer hat
der "Chef" kommt aus Afghanistan
hinten geht es genauso
alle haben etwas zu erzählen
Shah Cheraq
beschauliches Plätzchen für Turteltauben an Dichters Grab
hier liegt er, der Autor vom Diwan
Shiraz Hotel - das erste Haus in der Stadt
Flohmarkt bei mir im Viertel

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