Donnerstag, 14. September 2017

Masouleh, Rasht-Hour und Speed Bumper

Schlimmer geht nimmer, ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, meine Reise im Iran zu verkürzen und lieber noch länger in Armenien und Georgien herumzufahren. Dabei hatte ja noch alles ganz gut angefangen.
Um kurz vor 8 Uhr war ich geduscht und rasiert und wollte mein Frühstück zu mir nehmen, aber der Mann an der Rezeption schlief noch hinter selbiger mit einer Decke übern Kopf. Internet ging auch nicht, da hatten sie mir pünktlich um 22 Uhr den Saft abgedreht. Ok, lese ich halt noch was. Frühstück war recht einfach, aber der Tee mit dick Zucker schmeckte gut. Um 9 Uhr gab es dann sogar wieder Internet, aber mehr als eine Whatsapp ging nicht raus, dann war es das auch schon wieder. Ja, ihr hört richtig, Whatsapp geht offensichtlich ohne Probleme, sofern Internet da ist. Den Blog konnte ich allerdings nicht mehr weitermachen, folglich das Moped bepackt, und gegen 10:30 Uhr wieder viel zu spät vom Acker gemacht. Der eine Hotelangestellte hatte den Iranern schön brav ihre Koffer ans Auto gebracht, mir allerdings nicht geholfen. Dafür wollte er dann bei der Abfahrt noch Trinkgeld, was ich verweigert habe. Ich fand das Hotel teuer genug.
Mein Navi weigert sich momentan immer, die übertragene Route neu zu berechnen; die Fehlermeldung besagt in etwa, die Kartendaten stimmen nicht mit der Route überein. Ich will da jetzt auch nichts kurzfristig kaputt schießen, also muss es ohne Routing nur mit Anzeige gehen. Das erfordert natürlich mehr Schauen auf die Verkehrsschilder, und die sind oft nur auf Farsi. Immerhin gelang es mir nach Shahrud (auch Kolur genannt) zu finden, auch wenn ich manchen Kreisel mehrmals fahren musste. Dann freute ich mich über eine super Bergstraße mit unzähligen Kurven. Später wurde daraus sogar eine neu asphaltierte Strecke, mit allerdings deutlich entschärften Kurven. 40 km vor Masouleh war Schluss mit dem Teer, zuerst kam eine breite Piste; diese war schon die Vorarbeit für die wohl bald folgende neue Teerstraße. Dann kam ein Stück alte Schotterstraße, und dann kam die Stelle, wo gerade zwei Bagger die Felswand ab hämmerten, um Platz für die neue Straße zu schaffen. Da war gerade mal ein halber Meter Platz, wenn der Bagger sich längs drehte, und es lagen nicht nur große Geröllbrocken darauf, sondern es ging seitlich auch ganz schön runter. Mit Fußeln und Kupplung hatte ich die heikle Stelle hinter mich gebracht, da kam ein Schild, noch 27 km bis Masouleh. Nur schmaler Weg, überall wurde gearbeitet, und nach einer Weile wurde der Weg von einem Riesenteil gleichzeitig aufgepflügt und glatt geschoben. Da war dann für die Autos erst mal Schluss, aber mit der KTM konnte ich mich durchwühlen. Statt nach einer war ich nach 3 Stunden in Masouleh, und was ich da vorfand, das hatte ich nun wirklich nicht geglaubt.
Masouleh sollte ja ein schönes Bergdorf sein. War es bestimmt auch mal. Aber tausende von Iranern, die täglich vom schwülwarmen Kaspischen Meer hierher kommen, hinterlassen Spuren. Die Autos müssen Maut zahlen, ein Polizist versucht, den Verkehr zu regeln, das halbe Dorf besteht nur noch aus Andenkenläden, die genau denselben Schund verkaufen wie die in Neuschwanstein oder der Drosselgasse. Jeder wollte mit oder ohne mich an der KTM abgelichtet werden; meist können die jungen Töchter Englisch und dolmetschen dann. Mir ging der ganze Rummel tierisch auf den Nerv, aber da wusste ich noch nicht, was der Tag noch bringen würde. Das einzig Gute in Masouleh war, dass zum ersten Mal seit Langem wieder ein paar Wolken vom Kaspischen Meer heraufzogen. Dafür wurde es dann mit jedem Meter abwärts schwüler.
Euch sagt ja sicher der Begriff "Sonntagsfahrer" etwas? Das waren die, die beim Runterfahren den ganzen Verkehr aufhielten, weil sie keinen Stress haben wollten. Und dann gibt es da den iranischen Normal-Autofahrer, wie ich es noch in keinem Land bisher erlebt habe. Gegenverkehr, macht nichts, kann doch einer von denen beiseite fahren. Motorrad, der braucht keine Straße, der kann nebendran fahren. Links überholen und dann scharf rechts ran und Vollbremsung, weil dort die Weintrauben zu kaufen sind. Vom Straßenrand in den Verkehr reinfahren ohne Blinker und alles, einer wird mich reinlassen. Kurzum, das ist Kamikaze pur, und mich stresst das ungeheuer, weil ich so auf die Autos um mich herum achten muss. Dazu kommen dann noch die Speed Bumper, in jeder Stadt alle paar hundert Meter, bei einer Seitenstraße, am Ende der Autobahn, in jedem Dorf, ich habe heute gefühlt 10000 solche derben Stöße abbekommen und mir jetzt wirklich den Hintern davon wundgescheuert. Früher hatte ich manchmal eine Radlerhose zum Motorradfahren an, aber die habe ich wohl vergessen.
Rasht ist eine große Stadt etwa auf Meereshöhe und entsprechend tropisch schwül. Allein für die Durchfahrt brauchte ich eine Stunde, das Wasser lief mir so runter. Vielleicht sollte es gar nicht Rushhour heißen, sondern Rasht-Hour. Auf der Karte war dann eine Schnellstraße nach Ramsar eingezeichnet, für die 100 km rechnete ich 1 1/2 Stunden. Was aber kam, war eine Stadt nach der anderen, die ganze Küste des Kaspischen Meeres runter. Es war Verkehr wie am Freitag Nachmittag rund ums Frankfurter Kreuz. In Ramsar gibt es sogar einen Freizeitpark mit Gondeln und dem ganzen Zeug, was es in unseren Vergnügungsparks auch so gibt. Vom Campingplatz keine Spur, eine grüne Wiese zum Zelten war auch nicht in Sicht, und die Hotels alle ausgebucht. Eines fand ich dann, die wollten 2,7 Millionen Rial, also über 60 Euro. Das war mir zu teuer, außerdem war ich jetzt seit Masouleh nur noch von Massen von rücksichtslosen Autofahrern umgeben, ständig Lärm und Gestank, ich fragte mich so langsam, warum ich mir das freiwillig angetan habe. Ich wollte Einsamkeit und Natur, habe ja deshalb schon bewusst auf Teheran, Mashhad und Qom verzichtet, aber nicht diese Menschenmassen. Jeder blinkt mich an, aber ich kann nun mal mein Tageslicht nicht ausstellen, weil es bei uns gesetzlich so vorgeschrieben ist. Jeder Nachbar im Stau quatscht und hupt mich an, dabei habe ich alle Hände voll zu tun, keinen Unfall zu bauen. Wenn ich dann aber abends nach einem Hotel frage oder einer Übernachtungsmöglichkeit, dann braucht man zumindest am Kaspischen Meer nicht damit zurechnen, irgendwohin eingeladen zu werden. Verdammt spät fand ich schließlich doch noch ein Hotel am Meer, das kostet 1,5 Millionen Rial. Der Wirt ist nett, aber das Zimmer ohne Fenster nach draußen und ziemlich oll; aber es hat einen Vorteil, es hat Klimaanlage, und die braucht man hier. Morgen geht es dann wieder in die Berge Richtung Damavand, und ich hoffe, ich finde wieder das, was ich mir hier erhofft hatte. Natur und keinen Vergnügungspark, einzelne freundliche Menschen und nicht Tausende von durchgeknallten Machos auf der Straße. Wenn man hier ist, kann man kaum glauben, dass es irgendwelche religiösen Gebote zur Lebensführung geben soll. Alles ist Konsum und Sucht nach Erlebnissen, genau wie bei uns.  (Track14)
hier noch gut zu fahrende Piste als Vorbereitung für Teerstrasse

schwierige Passage hinter dem linken Bagger

so sah die alte Straße aus

sehr schöne Kulisse

Richtung Kaspisches Meer ist alles grün

Masouleh Wasserfall

iranische Drosselgasse

da habe ich mich auch mal abbilden lassen

beschauliches Masouleh?

Stress pur für alle, aber das machen wir daheim Am Wochenende ja auch

Masouleh

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