Dienstag, 26. September 2017

Isfahan

Isfahan ist eine sehr alte Siedlung mit Ursprüngen schon vor der Achämeniden-Zeit. Seine Blütezeit erreichte Isfahan, als der Safaviden-Herrscher Shah Abbas I. sie zur Hauptstadt ernannte, um den ständigen Angriffen der Osmanen auf Nordwestiran zu entgehen. 1605 ließ er 30000 Armenier aus dem zerstörten Jolfa in die südliche Vorstadt Neu-Jolfa umsiedeln. Diese waren begabte Handwerker und verfügten als Händler über gute Verbindungen in alle Teile der Welt. Mit Anlage des Meydan mit seinen prächtigen Moscheen, zahlreichen Palästen und Gartenanlagen sowie den Brücken erlangte Isfahan im 17.Jahrhundert den Ruf einer der schönsten Städte der Welt. Heute leben hier 2 Millionen Menschen. Nach dem Frühstück schaltete ich das Navi an, um das Hotel wieder zu finden, und suchte diesen berühmten Platz. Er heißt eigentlich Meydan-e Imam, aber selbst wir Europäer kennen ihn seit den Massenprotesten gegen die USA als Meydan. Der Platz ist 524 x 160 m groß, und ist beim Freitagsgebet rappelvoll. An seinem einen Ende ist der Eingang zum Bazar, am andern Ende steht die große Moschee. Auf den beiden Längsseiten stehen die königliche Residenz, Ali Qapu, und die Lotfollah-Moschee. Rings um den Platz verlaufen doppelstöckige Arkaden mit Geschäften, man kann also wunderbar immer im Schatten laufen. Zuerst besichtigte ich die Große Moschee, weil die mittags geschlossen ist. Im großen Innenhof (68 x 53 m) stand ein Zelt für das Gebet am Abend. Zum Teil wurde gerade restauriert, u.a. die große Kuppel, aber das tat dem Besuch keinen Abbruch. Vier überkuppelte Hallen sind durch Arkadenwände verbunden, die gesamte Außenfassade ist mit Fliesen auf blauem Grund mit floralen Ornamenten in Gelb- und Grün-Tönen verkleidet. Es sollen 472550 Fliesen verbaut worden sein. In der südwestlichen Nebenhalle befindet sich ein für Moscheen außergewöhnliches Fliesenfeld mit Pflanzen, Tieren und Wasser, als befände man sich im Paradies. Üblicherweise werden wegen des Bilderverbots in Moscheen nur geometrische und stilisierte Motive benutzt. Vor der Moschee war eine Aktion des Iranischen Militärs, um ihr Image aufzupolieren und neue Rekruten zu werben. Ich war ja zu Anfang etwas scheu, aber dann habe ich doch gefragt, ob ich Fotos machen darf, und das war kein Problem. Anschließend ging es erst mal unter die Arkaden in einen kleinen Hof für einen Capucchino. 2 Euro, ganz schön teuer, aber hier sind ja auch viele Touristen, insbesondere auch Deutsche. Immer wieder haben mich Iraner angesprochen und wollten mich dazu bewegen, in ihren Laden zu kommen. Am nettesten war eine Iranerin, die nicht nur im Shop verkauft, sondern auch noch Englischlehrerin war und es auch wirklich perfekt sprach. Ich ging dann die Ostandari und Ferdow St. runter bis zu einer der Brücken am Zayandeh Rud. Dieser bringt im Winter und Frühjahr das Wasser aus den Bergen, war aber leider um diese Jahreszeit ausgetrocknet. Am Flussbett entlang ging ich zur Pol-e Khadjou, der schönsten Brücke von Isfahan. Dort legte ich mich unter einen der 23 Brückenbögen und las Frederick Forsyths "Die Akte Odessa". Nach einer Weile fing ein Mann zwei Bögen weiter an zu singen, das war sehr romantisch. Am Abend versammeln sich hier die jungen Leute. Auf der andern Seite des Flusses ohne Wasser ging ich dann zur Si-o Se Pol mit ihren insgesamt 33 Bögen. Dazwischen hatte ich noch Kontakt mit einem Pärchen in meinem Alter, sie wohl Italienerin, er keine Ahnung, die echt ein Knaller waren, weil sie sich über alles gefreut haben. Er hat sein Motorrad mit amerikanischen Schildern in Düsseldorf stehen, sie lebten 10 Jahre in Italien, und Iran fanden sie einfach nur toll. Von meiner Tour waren sie dann auch ganz begeistert. Über den Chahar Bagh Abbasi, die Haupteinkaufsstraße, ging es dann wieder zurück zu meinem Hotel. Es ist kein Problem im Iran, Männer zu fotografieren, viele wollen das sogar. Gerade in Isfahan gibt es sehr viele junge und ausgesprochen hübsche Frauen, aber nach einigen Ablehnungen am Anfang des Urlaubs will ich nicht jedes Mal einen Korb bekommen, wenn ich frage, ob ich sie fotografieren darf. Die meisten sind total zurechtgemacht, haben große, dunkle Augen und lachen einen im Vorbeigehen an. Für unbemerkte Fotos reicht mein 200er Tele nicht aus. Also leider, ich behalte die schönen Frauen im Gedächtnis, aber ihr müsst selbst herkommen, wenn ihr sie sehen wollt. Jetzt habe ich erst mal ausgiebig zu Abend gegessen, Suppe, Salat, Reis und Hühnchen, zusammen mit einer Cola für weniger als 5 Euro, jetzt versuche ich noch ein paar Bilder hochzuladen. Morgen geht es dann in den Bazar und vielleicht noch den Ali Qapu, ansonsten lasse ich mich ein wenig treiben.
Eingang zur Großen Moschee
der Meydan ist riesig
die Amis sind hier Feind Nr.1 - hinten der Ali Qapu
südwestliche Nebenhalle
Haupthalle unten ....
und oben die Kuppel
Fliesen soweit das Auge reicht
die große Ausnahme in einer Moschee: Tiere und Pflanzen
das Gebetszelt für die Abendveranstaltung
die beiden "Chefs" sind überall zu sehen
wir sind auch stark
im Krieg mit dem Irak sind viele Iraner gefallen
hilflos dem Giftgasattacken von Saddam ausgeliefert
Reisen verbindet Völker - hier ein Niederländer auf dem Meydan
das iranische Modell einer Harley - mit maximal 250 ccm
die schattigen Plätzchen unter der Brücke
die Pol-e Khadjou ohne Wasser
der Sänger unter der Brücke
Si-o Se Pol - die Brücke mit 33 Bögen
hier flaniert man oder sitzt in den Nischen
Nach dem Frühstück lief ich Richtung Meydan und kam durch Zufall durch einen Seiteneingang zum Palast Chehel Sotun. Dieser "Palast der 40 Säulen" ist neben dem Palast Hasht Behesht ("die 8 Paradiese") der letzte der in der Safaviden-Zeit zahlreich gebauten Gartenpaläste. Der Bau geht auf Abbas den Großen zurück und wurde von Shah Abbas II. 1647 vollendet. Im Wasserbecken spiegelten sich die 20 Holzsäulen, was den Namen erklärt. Heute war allerdings - wie ich später feststellte - überall freier Eintritt in die Sehenswürdigkeiten, und entsprechend voll war es dann auch. Viele Schulklassen gab es besonders hier im Palast, zeitweise war in den Innenräumen gar kein Platz mehr. Die Lehrer hatten eine Trillerpfeife, und auch wenn die Kinder außer Rand und Band waren, wenn die Lehrer etwas sagten, dann taten sie es. Im Hauptsaal gab es eine Menge restaurierte Wandmalereien vom höfischen Leben und Gartenszenen, außerdem werden einige Empfangsszenen und die Schlacht gegen die Uzbeken und Osmanen dargestellt.
Durch den schönen Park ging es dann zum Palast Ali Qapu, ebenfalls ohne Eintritt. Über den Thronsaal und die Privatgemächer in den oberen Stockwerken geht es in das sechste Geschoss, dessen Wände mit bemalten Stuckelementen in Form von Krügen und Vasen ausgeschlagen sind und in dem früher Musikveranstaltungen stattfanden. Vom Balkon bzw. Terrasse hat man einen hervorragenden Blick auf den Meydan.
Direkt gegenüber liegt dann die kleine Privatmoschee des Herrschers, die Lotfollah-Moschee, die 1616 vollendet wurde. Über zwei mit Fayence-Fliesen verkleidete Gänge kommt man in den großartigen Kuppelsaal. Das ist sicher die schönste aller Moscheen, die ich bisher gesehen habe. Über die Arkaden ging es dann weiter zum Bazar durch den Haupteingang, das Qeisariyeh-Tor aus dem Jahr 1617. Ich war froh, mich nicht verlaufen zu haben, so unübersichtlich ist das Gassengewirr. Da wurde gehämmert und geklopft, der Schmied war bei der Arbeit, es roch überall nach Gewürzen und Nougat wurde angeboten, Schmuck und Teppiche wurden verkauft, Mütter standen in den Läden mit Babysachen, und dazwischen gab es immer mal wieder einen Stand mit Tee. Orientalisches Leben, wie man es sich vorstellt, und alles schön kühl, weil überdacht. Irgendwann musste ich dann doch wieder raus ins grelle Sonnenlicht, um zur Freitagsmoschee zu kommen. Es war gerade Mittagsgebet, so dass die Kuppel der Moschee selbst nicht zugänglich war. Schon Mitte des 9.Jh. stand hier eine Moschee, die heutige Vier-Iwan-Hofmoschee stammt aus dem 11.Jh. Der Hof selbst misst 55 m Breite und 67 m Länge, die beiden Minarette stehen am Süd-Iwan, der auf Grund seiner Höhe den Blick auf die dahinter liegende Backsteinkuppel verdeckt. Die Freitagsmoschee, Masdjed-e Djameh, liegt im Stadtteil Joubareh und mitten zwischen den engen Gassen des Bazars. Durch die ging ich dann langsam wieder zum Hotel zurück, nicht ohne mir noch ein leckeres Eis zu gönnen.
Erneut fielen mir auf dem  Weg mehrere junge Iranerinnen auf, die ein Nasenpflaster trugen. Jetzt war ich aber doch mal neugierig, was es denn damit auf sich hat. Iranerinnen sind trotz des Kopftuches besonders modebewusst. Insbesondere das Gesicht, das vom Tuch nicht verdeckt wird, wird entsprechend aufgemotzt durch Makeup, Schminke, Lippenstift, gezupfte und gestylte Augenbrauen, überlange Wimpern und nicht zuletzt ein Nasenpflaster. Es ist geradezu in, sich etwa in Teheran die Nase verschönern zu lassen. Wer sich das nicht leisten kann, der klebt einfach ein Nasenpflaster auf den Nasenrücken und tut so als ob! Ihr seht, da unterscheiden wir uns gar nicht von den Menschen im Iran.
der Palast der 40 Säulen
Kampfszenen vor rund 400 Jahren
es ging aber auch beschaulich im Garten zu
wer will mit aufs Foto?
Mädchenklassen sind natürlich auch dabei
Treppenaufgang im Palast Ali Qapu
Musikzimmer im sechsten Stock
Blick vom Balkon auf die Lotfollah Moschee
Kuppel der Lotfollah Moschee
Fayence-Fliesen in der Lotfollah Moschee
kurze Pause nach der Besichtigung
das Eingangstor zum Bazar
hier gibt es einfach alles
im Schatten lässt es sich gut flanieren
die Familien sind hier größer, die Töpfe auch
von außen ist die Freitagsmoschee ein schlichtes Backsteinbauwerk
aber innen ist sie als Vier-Iwan-Hofmoschee sehr großzügig
Nachdem ich schon mal die Bilder für den Blog ausgesucht und mich ein wenig erholt hatte, stapfte ich bei Dämmerung noch einmal los. Als ich zur Rezeption kam, schaute der Mann dort interessiert auf die Glotze: eine riesige Menschenmenge mit Fahnen auf dem Meydan. Ich fragte noch einmal nach, ja, das findet hier in Isfahan auf dem großen Platz statt. Kaum trat ich vor die Tür, war ich schon mittendrin in einem schwarzen Strom von Menschenmassen, die alle dem Meydan zuströmten. Zuerst hielt ich mich noch ein wenig auf der Seite, aber nachdem auch die Fahnenschwenker und Polizisten keinen bösen Blick auf mich warfen, traute ich mich immer mehr. Der riesige Platz vor den Moscheen bis zum Bazar war fast restlos voll mit Menschen, die im Zentrum fahnenschwenkend standen oder im Kreis gingen und darum herum auf der Wiesen oder den Mäuerchen saßen. 4 junge Mädels klärten mich bei laufender Videokamera auf: ein junger Iraner würde gefeiert, der in Syrien für sein Heimatland gekämpft und dabei den Tod gefunden hätte. Sie zeigten mir sein Bild, und gaben mir eine mehrseitige Broschüre über ihn, die ich mangels Farsi-Kenntnissen später an den Mann an der Rezeption weiterreichte. Zum Schluss wollten sie noch von mir ein Bild machen, bei dem ich ein Plakat mit dem Konterfei des gefeierten jungen Kriegshelden in den Händen halte. Die Mädels waren so nett und ganz ohne Berührungsängste, da habe ich einfach mal getan, was sie wollten. Ich schätze mal, das wird dann irgendwann in einer Schülerzeitung veröffentlicht, sonst hätten sich die Mädels nicht so eine Mühe gegeben. Für die mindestens 100000 Isfahanis, die sich da versammelt hatten, war das ein großes Volksfest, die Kinder waren auch dabei. Klar gab es auch einige Lautsprecherwagen auf dem Weg zum Meydan, da stand dann etwas gegen den Erzfeind USA auf Plakaten, aber die Menschen selbst blieben alle ganz ruhig und waren ausgesprochen fröhlicher Stimmung. Im Zentrum gab es einen Sprecher, aber der war auch ruhig und heizte die Stimmung nicht ein. Was er gesagt hat, konnte ich natürlich nicht verstehen. Auf dem Weg nach draußen sprach mich dann ein junger Mann an und bestätigte mir das, was die Mädels gesagt hatten. Als ich ihm erzählte, wieviel Geld ich für die Reise ausgeben würde, konnte er das gar nicht fassen. Uns geht es wirklich gut, das musste ich da wieder feststellen. Anschließend wollte er mit mir noch eine Fahrradtour mit Leihrädern machen, aber ich lehnte höflich ab; nicht nur, dass ich mein Navi nicht dabei hatte und es inzwischen dunkel war, mein Kopf ist kurz vor dem Platzen von den vielen verschiedenen Eindrücken in Isfahan.  Ich bin froh, wenn ich morgen wieder alleine auf meinem Motorrad sitze und das Erlebte verarbeiten kann. Ich will erst mal nach Hamadan, falls ich es soweit schaffe. Martina, Hartmut und Helmut sind wohl dicht an der irakischen Grenze gefahren, aber alleine ist mir das zu unsicher.
Volksfeststimmung auf dem Meydan
überall wo Platz ist, lässt man sich nieder
Kind und Kegel sind auch mit dabei
alles in schwarz, nur die Fahnen sind farbig
je näher zur Großen Moschee, desto voller wird es

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