Samstag, 30. September 2017

der Kreis schließt sich

Schon in Kermanshah hatte ich abends das Gefühl, eine Jacke über dem T-Shirt wäre gar keine schlechte Idee. In Saqqez gestern hatte ich eine an, und das fühlte sich gut an. Heute morgen war es nicht nur zum ersten Mal seit langer Zeit wieder leicht bewölkt, es war auch noch dazu ziemlich kühl. Vielleicht ist das der Grund, warum das Frühstück erst ab 8 Uhr offen war. Bis dahin hatte die Sonne schon etwas nachgeholfen.
Bis Bukan war es ziemlich voll auf der Straße, ist eben immer noch verlängertes Wochenende. Ein Auto mit zwei jungen Männern machte Zeichen und zeigte mir meine Flasche Fanta, die ich offenbar verloren hatte. Die haben sie nicht nur aufgehoben, sondern fuhren mir noch nach, um sie mir zu geben. In Bukan fing es dann plötzlich an zu tröpfeln; ich wusste gar nicht, wo ich mein Regenzeug verstaut hatte, auf jeden Fall ziemlich tief unten. Nach 5 Minuten war der Spuk allerdings vorbei, und es ging weiter nach Miyandoab. Da war plötzlich meine Seite der Straße gesperrt, wegen einer Art Prozession. Da kamen etwa 1000 Menschen, die großen Trommeln wurden geschlagen, und aus dem Lautsprecherwagen kamen immer Gesänge und Reden. Rechts und links ging alle 30 Meter ein Soldat mit Gewehr mit, und die Polizei riegelte den Verkehr ab. Ich machte es wie die einheimischen Mopedfahrer und nahm einfach die Gegenfahrbahn auf der anderen Seite des Grünstreifens, deshalb konnte ich auch alles so gut sehen. Überall unterwegs gab es Veranstaltungen und Gebetsversammlungen, meist mit schwarzen Fahnen und diesen Riesentrommeln, immer mit fetten Lautsprecheranlagen auf irgendwelchen Wagen montiert. Hinter Bonab ging es dann zum See Orumiyeh, der aber weitgehend ausgetrocknet erschien. Ein AKW oder etwas, was so aussah, gab es bei Ajabshir. Und dann ging es auch schon in die Vororte von Tabriz. Der Reiseführer empfahl das Hotel Sina als günstig und gut, und da ließ ich das Navi hinsteuern. 25 Euro waren gut, es gab bloß keine Klimaanlage. Aber bei den inzwischen kälteren Temperaturen vor allem nachts kann ich da gut drauf verzichten. Als ich mein Motorrad vor dem Hotel abstellte, kam noch ein junger Mann aus einem vollbesetzten Auto zu mir, fragte, woher ich komme, und drückte mir ein riesiges Baguette belegt mit Schinken, Tomaten, Salatblättern und Paprika in die Hand, dazu Salatsoße, Ayram und einen Strohhalm zum Trinken. Das wolle er mir gerne schenken. Könnt ihr euch das in Deutschland vorstellen?
Hinter Marand hatte ich vor 3 Wochen meine erste Nacht im Iran im Zelt verbracht, und übermorgen werde ich die restlichen 140 km bis zur armenischen Grenze bei Meghri zurücklegen und dabei meinen Weg von damals kreuzen. Ein Resümee will ich am Ende meines Blogs schreiben, aber so viel schon einmal vorneweg: Iran ist ein ganz tolles Reiseland mit ganz vielen Menschen, die sich für Fremde interessieren und den Kontakt suchen. Im Gegensatz zu den Meldungen daheim ist es völlig ungefährlich, man kann sich fast überall frei bewegen. Einzig der Autoverkehr ist nirgendwo chaotischer als hier, man sollte sich also überlegen, ob das nicht auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu machen ist, wenn man keinen Pauschalurlaub mag.
Nachdem der Dreck ab war, marschierte ich noch ins Zentrum. Wegen des Aschura-Feiertages ist hier eigentlich jeder Laden geschlossen, der es sich leisten kann. Die hier wieder überwiegend schwarz gekleideten Menschen versammeln sich an verschiedenen Stellen, zünden Kerzen an, trinken Tee und essen Gebäck. Ständig wurde ich angesprochen, ein Mann wollte gar nicht mehr weg von mir, bis ich ihm möglichst höflich zu verstehen gab, dass ich  ganz gerne die Eindrücke der Feier alleine auf mich wirken lassen wolle. Ich gab ihm aber noch meine email für seinen Sohn, der auch etwas mit Computern macht und nach Deutschland will. Überall wird gefeiert, aber hier in Täbriz geht das nicht so streng zu wie das, was da im Fernsehen ständig zu sehen ist. Ich wurde auch zum Tee eingeladen und bekam Süßes zum Knabbern dazu. Damit ich nicht ganz so doof dastehe, habe ich im Internet nach dem Ashura gesucht: während Ashura gedenken die Schiiten der Schlacht um Kerbela, im heutigen Irak. In dieser Schlacht wurden am 10. Tag des Monats Muharram Husain, der Sohn Alis und dritter Imam, sowie fast alle männlichen Verwandten im Krieg gegen die Umayyaden getötet. Die Trauerrituale anlässlich Ashura werden schon seit dem 16.Jh. zelebriert, wobei es drei Muharram-Bräuche gibt:
  •  Rouza-chwani: Ein Redner erzählt vom Marytrium des Imam Husain und ruft dies damit in Erinnerung.
  •  Sinazani in Öffentliche Prozessionen
  •  Taziya: Nachstellung der Schlacht um Kerbela. 
  • Zumindest die beiden ersten Bräuche habe ich gesehen. Muharram ist einer der 4 heiligen Monate des Islam und trägt die Botschaft der Erinnerung und des Erwachens der gesamten Menschheit.
    Als letztes Bild habe ich noch das Universal-Auto im Kurdenland in den Blog gestellt. Die Firma Zamyad Co. ist in Teheran ansässig und baut dieses Auto auf Basis eines Nissan Junior Pickup. Meist sind die Autos blau, und man kann darauf 2 Pferde oder Maultiere transportieren, etwa 25 Leute von A nach B bringen, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf den Markt bringen, oder eine Ausflugsfahrt mit der Familie machen. Ich habe welche gesehen, die waren 3 mal so hoch und 2 mal so breit mit sperrigen Gütern beladen, es geht alles. (Track30)

    der Lake Orumiyeh

    Moschee in Täbriz
    bei den Ashura-Bräuchen wird auch immer Süßes und Tee ausgegeben
    weniger trauern als gemeinsam den Feiertag genießen
    Ashura
    Zamyad, ein Auto für Alles

    Keine Kommentare:

    Kommentar veröffentlichen