Samstag, 30. September 2017

der Kreis schließt sich

Schon in Kermanshah hatte ich abends das Gefühl, eine Jacke über dem T-Shirt wäre gar keine schlechte Idee. In Saqqez gestern hatte ich eine an, und das fühlte sich gut an. Heute morgen war es nicht nur zum ersten Mal seit langer Zeit wieder leicht bewölkt, es war auch noch dazu ziemlich kühl. Vielleicht ist das der Grund, warum das Frühstück erst ab 8 Uhr offen war. Bis dahin hatte die Sonne schon etwas nachgeholfen.
Bis Bukan war es ziemlich voll auf der Straße, ist eben immer noch verlängertes Wochenende. Ein Auto mit zwei jungen Männern machte Zeichen und zeigte mir meine Flasche Fanta, die ich offenbar verloren hatte. Die haben sie nicht nur aufgehoben, sondern fuhren mir noch nach, um sie mir zu geben. In Bukan fing es dann plötzlich an zu tröpfeln; ich wusste gar nicht, wo ich mein Regenzeug verstaut hatte, auf jeden Fall ziemlich tief unten. Nach 5 Minuten war der Spuk allerdings vorbei, und es ging weiter nach Miyandoab. Da war plötzlich meine Seite der Straße gesperrt, wegen einer Art Prozession. Da kamen etwa 1000 Menschen, die großen Trommeln wurden geschlagen, und aus dem Lautsprecherwagen kamen immer Gesänge und Reden. Rechts und links ging alle 30 Meter ein Soldat mit Gewehr mit, und die Polizei riegelte den Verkehr ab. Ich machte es wie die einheimischen Mopedfahrer und nahm einfach die Gegenfahrbahn auf der anderen Seite des Grünstreifens, deshalb konnte ich auch alles so gut sehen. Überall unterwegs gab es Veranstaltungen und Gebetsversammlungen, meist mit schwarzen Fahnen und diesen Riesentrommeln, immer mit fetten Lautsprecheranlagen auf irgendwelchen Wagen montiert. Hinter Bonab ging es dann zum See Orumiyeh, der aber weitgehend ausgetrocknet erschien. Ein AKW oder etwas, was so aussah, gab es bei Ajabshir. Und dann ging es auch schon in die Vororte von Tabriz. Der Reiseführer empfahl das Hotel Sina als günstig und gut, und da ließ ich das Navi hinsteuern. 25 Euro waren gut, es gab bloß keine Klimaanlage. Aber bei den inzwischen kälteren Temperaturen vor allem nachts kann ich da gut drauf verzichten. Als ich mein Motorrad vor dem Hotel abstellte, kam noch ein junger Mann aus einem vollbesetzten Auto zu mir, fragte, woher ich komme, und drückte mir ein riesiges Baguette belegt mit Schinken, Tomaten, Salatblättern und Paprika in die Hand, dazu Salatsoße, Ayram und einen Strohhalm zum Trinken. Das wolle er mir gerne schenken. Könnt ihr euch das in Deutschland vorstellen?
Hinter Marand hatte ich vor 3 Wochen meine erste Nacht im Iran im Zelt verbracht, und übermorgen werde ich die restlichen 140 km bis zur armenischen Grenze bei Meghri zurücklegen und dabei meinen Weg von damals kreuzen. Ein Resümee will ich am Ende meines Blogs schreiben, aber so viel schon einmal vorneweg: Iran ist ein ganz tolles Reiseland mit ganz vielen Menschen, die sich für Fremde interessieren und den Kontakt suchen. Im Gegensatz zu den Meldungen daheim ist es völlig ungefährlich, man kann sich fast überall frei bewegen. Einzig der Autoverkehr ist nirgendwo chaotischer als hier, man sollte sich also überlegen, ob das nicht auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu machen ist, wenn man keinen Pauschalurlaub mag.
Nachdem der Dreck ab war, marschierte ich noch ins Zentrum. Wegen des Aschura-Feiertages ist hier eigentlich jeder Laden geschlossen, der es sich leisten kann. Die hier wieder überwiegend schwarz gekleideten Menschen versammeln sich an verschiedenen Stellen, zünden Kerzen an, trinken Tee und essen Gebäck. Ständig wurde ich angesprochen, ein Mann wollte gar nicht mehr weg von mir, bis ich ihm möglichst höflich zu verstehen gab, dass ich  ganz gerne die Eindrücke der Feier alleine auf mich wirken lassen wolle. Ich gab ihm aber noch meine email für seinen Sohn, der auch etwas mit Computern macht und nach Deutschland will. Überall wird gefeiert, aber hier in Täbriz geht das nicht so streng zu wie das, was da im Fernsehen ständig zu sehen ist. Ich wurde auch zum Tee eingeladen und bekam Süßes zum Knabbern dazu. Damit ich nicht ganz so doof dastehe, habe ich im Internet nach dem Ashura gesucht: während Ashura gedenken die Schiiten der Schlacht um Kerbela, im heutigen Irak. In dieser Schlacht wurden am 10. Tag des Monats Muharram Husain, der Sohn Alis und dritter Imam, sowie fast alle männlichen Verwandten im Krieg gegen die Umayyaden getötet. Die Trauerrituale anlässlich Ashura werden schon seit dem 16.Jh. zelebriert, wobei es drei Muharram-Bräuche gibt:
  •  Rouza-chwani: Ein Redner erzählt vom Marytrium des Imam Husain und ruft dies damit in Erinnerung.
  •  Sinazani in Öffentliche Prozessionen
  •  Taziya: Nachstellung der Schlacht um Kerbela. 
  • Zumindest die beiden ersten Bräuche habe ich gesehen. Muharram ist einer der 4 heiligen Monate des Islam und trägt die Botschaft der Erinnerung und des Erwachens der gesamten Menschheit.
    Als letztes Bild habe ich noch das Universal-Auto im Kurdenland in den Blog gestellt. Die Firma Zamyad Co. ist in Teheran ansässig und baut dieses Auto auf Basis eines Nissan Junior Pickup. Meist sind die Autos blau, und man kann darauf 2 Pferde oder Maultiere transportieren, etwa 25 Leute von A nach B bringen, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf den Markt bringen, oder eine Ausflugsfahrt mit der Familie machen. Ich habe welche gesehen, die waren 3 mal so hoch und 2 mal so breit mit sperrigen Gütern beladen, es geht alles. (Track30)

    der Lake Orumiyeh

    Moschee in Täbriz
    bei den Ashura-Bräuchen wird auch immer Süßes und Tee ausgegeben
    weniger trauern als gemeinsam den Feiertag genießen
    Ashura
    Zamyad, ein Auto für Alles

    durchs wilde Kurdistan

    So schrieb Martina vor wenigen Tagen von ihrer zweitägigen Tour entlang der irakischen Grenze nach Täbriz. Mir erschien das erst mal zu gewagt, so dicht an der Grenze, und noch dazu alleine. Außerdem hatte ich noch die vielen Militär- und Polizei-Kontrollen im Süden unangenehm in Erinnerung. Als der Hotelchef aber dann heute morgen sagte, das sei gar kein Problem, da dachte ich mir, ich fahre mal los, umkehren kann ich immer noch. Und ich muss sagen, ich bin wirklich total happy, die Tour über Paveh und Marivan gemacht zu haben, das war zum Schluss im Iran noch einmal ein Highlight.
    Immer auf der 15 ging es erst mal nach Ravansar, ein typisch kurdischer Ort. Die Frauen nicht mehr in schwarz, sondern in bunten Kleidern und Tüchern, die Männer mit den Pluderhosen. Alle sprachen mich an, wollten mit aufs Foto oder selbst eines machen. Einer meinte, ich solle meine Handschuhe lieber mitnehmen, wenn ich das Motorrad verlasse; sind die Kurden anders als die restlichen Iraner? Bestimmt, aber ob sie klauen würden? Bis Javanrud war die Strasse super ausgebaut, aber wegen der kurzen Ferien waren auch viele Autos unterwegs in die Berge. Unangenehm in allen Städten und Dörfern hier im Kurdenland ist, dass eigentlich immer irgendetwas brennt: entweder Abfall, die Felder, jeder macht sein kleines Lagerfeuer, die Verkaufsstände entlang der Straße usw. Dazu kommt dann immer noch der Qualm der Autos, insbesondere der älteren Trucks, die mitten in einer schwarzen Russwolke fahren. Ich bekomme da beim Fahren immer schnell eine Reizung an den Augen, das ist wirklich unangenehm. Irgendwann hatte ich Paveh auf über 1500 m erreicht, eine größere Stadt mitten in den Bergen. Dann begann der eigentliche Spaß: auf serpentinenreicher Straße ging es zunächst immer weiter bergab bis auf 700 m, und die Schweißtropfen wussten gar nicht wohin. Die iranischen Autofahrer immer voll drauf, da wird in der Kurve überholt, jede Lücke ausgenutzt, und wenn keine da ist, verschafft man sie sich mit Gewalt. Ich bin schön defensiv gefahren, habe mich dann hinter einer der nächsten Kurven doch gefreut, als da kanpp 10 Autos ineinander gefahren waren, weil der erste vor einem Geröllabgang seitlich gebremst hatte. Bremsen ist im Iran nämlich beim Autofahren nicht vorgesehen; es würde mich nicht wundern, wenn der am Ende auch noch Schuld hätte. Zum Glück fuhren an einer Weggabelung die meisten nach rechts ab hoch zu einer Moschee. So konnte ich nach Überholen von einigen Sonntagsfahrern entspannt nach unten düsen bis zu einem aufgestauten Fluß namens Ali-e Siruan, der dann wenige Kilometer weiter den Irak erreicht und dort in einem riesigen Wasserreservoir namens Darband Rihan aufgefangen wird. Das war dann auch die tiefste und heißeste Stelle des heutigen Tages. In Nowsud tankte ich noch einmal voll, immer mitten unter neugierigen Kurden. Danach fuhr ich ziemlich alleine die Serpentinen hoch, mit gelegentlichen Fotostopps. Der Irak ist teilweise nur 3 km Luftlinie von der Straße entfernt, aber tagsüber ist das alles kein Problem. Irgendwann bei einem Polizeiposten kam von rechts eine Straße dazu, danach wurde es etwas voller. Apropos Polizei und Militär: letzteres habe ich gar nicht gesehen, und die 4 oder 5 Polizeikontrollen haben sich nicht die Bohne für mich interessiert. Die Berge wurden immer eindrucksvoller, ich hätte gerne viel mehr Fotos gemacht, aber irgendwie vorwärtskommen musste ich ja auch. Knapp 400 km in den Bergen, das ist eine lange Etappe. Auf knapp 2600 m Höhe ist man dann endlich oben, um seinen Blick über den viel tiefer gelegenen Irak schweifen zu lassen. Man erkennt deutlich das Wasserreservoir, und alle paar Minuten kommt auch ein Schmuggler hoch, der auf seinem Rücken Ware aus dem Irak in den Iran bringt. Zwar steht da oben eine Art Wachtmeister, der die Schmuggler auch mal ein wenig anschimpft, aber machen kann er nichts dagegen. Der Ort da oben ist auf jeden Fall einen längeren Aufenthalt wert als ich Zeit dafür hatte. Auf schmalen Serpentinen geht es dann wieder abwärts Richtung Marivan. Auf dem Weg kamen mir mindestens 200 Pickups mit jeweils zwei Pferden oder Mulis oben drauf entgegen. Ich hatte auch gesehen, wie am Pass Maultiere abgeladen wurden. Ob die jetzt alle das Schmuggelgut abholen sollen, oder ob da vielleicht eine Großveranstaltung der Kurden war, ich weiß es nicht.
    Da die Straße entgegen meiner Befürchtung überall geteert waren, bis auf ein paar Kilometer Baustelle kurz vor dem Ziel, versuchte ich noch nach Saqqez zu kommen. Zuerst ging es auf guter Straße zu einem Stausee, wo viele Iraner auf den Sonnenuntergang warteten. Dann kam eine wunderbare kleine Straße mit einer Kurve nach der anderen, auf der ich fast alleine unterwegs war. Das vertrocknete Gras auf den Berghängen glänzte im letzten Sonnenlicht honiggelb, es war einfach zauberhaft. Dabei kam ich der irakischen Grenze noch einmal auf wenige Kilometer nahe und dachte so bei mir, was sich hier wohl nachts tut. In Suteh sollte die Straße dann breiter werden, aber da war etwa 10 km Baustelle mit Dreckspiste und viel Staub. In Saqqez bin ich gleich zum Kurd Hotel gefahren, und die wollten schon wieder 2,358 Millionen Rial. Dieses Mal war es noch hell, ich wäre auch weiter gefahren, aber schließlich schlugen sie 1,68 Millionen vor, das war dann ok. In die Hoteltiefgarage konnte ich erst mal nicht, weil ein Auto und ein angekettetes Motorrad den Eingang versperrt hatten. Nach einer Stunde konnte ich die KTM dann aber sicher parken. Internet ging leider fast gar nicht. Morgen geht es nach Täbriz, und dann geht die Reise im Iran langsam ihrem Ende entgegen. (Track29)
    Kurdenort Ravansar
    Nüsse und Körnerfrüchte
    die Beiden verkaufen sie

    der Stausee an der irakischen Grenze auf etwa 700 m Höhe
    Nowsud mit einer Tankstelle vor dem großen Anstieg zum Pass
    der Familie begegnete ich öfters - aber aufs Foto durften nur die Herren der Schöpfung
    der Weg zum Pass
    Blick in den Irak, deutlich zu sehen das Wasser-Reservoir Darhandi Rihan  
    Warten auf Geschäfte? Jedenfalls sehr freundlich und kontaktfreudig
    Schmuggler und Ausflügler am Pass
    wie ist es gelaufen? was hast du mitgebracht? 
    schnell weg, der Bulle kommt ...
    irgendwo vor Marivan

    der Stausee vor Chenareh

    Donnerstag, 28. September 2017

    Isfahan nach Kermanshah

    Im Iran ist am vergangenen Donnerstag die Zeit auf Winterzeit umgestellt worden. Damit ist der Unterschied zu unserer mitteleuropäischen Zeit nur noch 1 1/2 Stunden. Allerdings geht jetzt natürlich die Sonne eine Stunde früher unter, man müsste also eine Stunde früher losfahren. Ich habe es dann auch um 9 Uhr geschafft, alles gepackt zu haben und abfahren zu können. Allerdings zogen sich die ersten Kilometer bis Najafabad endlos durch die Vorstädte von Isfahan. In Najafabad war wieder irgendeine Großveranstaltung, zu der tausende von Autos und noch mehr Menschen strömten. Der Durchgangsverkehr war gesperrt, und an den großen Kreiseln davor gab es ordentlich Stau. Wie üblich bei den Iranern wurden aus 3 Spuren vor dem Kreisel plötzlich 12, weil jeder sich in jede kleinste Lücke quetschte. Als Motorradfahrer hat man da natürlich verloren, denn das füllt ja nicht den ganzen Platz eines Autos aus, da kann man sich einfach mal dazwischen mogeln. Dachte sich ein dämlicher Iraner, und rums, hat er mich am Koffer hinten beiseite geschoben. Ich war froh, dass die Maschine nicht umgekippt ist. Der Mann ist noch nicht einmal ausgestiegen, hat nur mal kurz die Hand gehoben als Entschuldigung, und weg war er. Zum Glück ist nicht viel passiert, die Alubox war ja voll mit Werkzeug, Öl etc. und hat nur eine ordentliche Delle abbekommen.
    Danach ging es dann aber flott vorwärts und immer höher rauf, bis auf über 2400 m. Bei der Tanke zwischen Daran und Aligudarz sprach mich ein Mann aus dem Auto an, er hätte längere Zeit bei Coca Cola in Düsseldorf gearbeitet. Er würde in Isfahan leben, aber jetzt wären ja 4 Tage Ferien, weil die Iraner Ashura feiern, und da würde seine ganze Familie sich an seinem Geburtsort in der Nähe treffen, seine Schwester käme auch aus Teheran. Ob ich nicht einen Nacht bei ihnen verbringen wolle, seine Schwester würde auch gerne etwas mehr kochen für mich. Da war sie endlich, die Gastfreundlichkeit der Iraner, von der oft zu lesen ist. Ich wollte heute aber noch vorwärts kommen und lehnte dankend ab. Einige Zeit später hielten plötzlich mehrere Autos am rechten Rand, und als ich hinkam, war da eben ein Auto in eine felsige Senke gestürzt und lag auf dem Dach. Ich bin gleich vorsichtig weiter gefahren, aber bei der iranischen Fahrweise wundert mich gar nichts mehr.
    Inzwischen war klar, dass ich die Ali Sadr-Grotten 80 km hinter Hamadan heute nicht mehr schaffen würde. Ich disponierte deshalb kurzfristig um und peilte Kermanshah als Etappenziel an. Zunächst ging es wieder ziemlich runter nach Khorramabad, das wunderschön zwischen den Bergen liegt. Als ich eben mal ein Foto machen wollte, war da schon der nächste Unfall, mitten in der Stadt. Ein Auto war rückwärts etwa 8 m in einen Flusslauf gestürzt, dem Fahrer aber offensichtlich nichts passiert. Da hielten natürlich jede Menge neugierige Iraner, und zwei Mopedfahrer boten mir an, bei ihnen zu übernachten. Wow, echt nobel. Ich fuhr aber weiter durch herrliche Berglandschaft, wobei die Felder dank Beregnungsanlagen total grün waren. Die Bergketten des Zagros-Gebirges liefern anscheinend genügend Wasser dafür. Ich musste dann noch einmal tanken, da spendierte mir der Tankwart einen Kaffee und eine Schokolade. Kurz vor Kermanshah bog ich rechts ab zur Felswand von Bisotun, die gerade die letzten Sonnenstrahlen abbekam. An diesem "Berg der Götter" befindet sich ein Relief von Darius mit der dazugehörigen Geschichte in altpersischer Keilschrift. Leider war es schon 18 Uhr, und der Wärter ließ mich nicht mehr hinein, obwohl dort noch Menschen am Schauen waren. Einen Moment überlegte ich, ob ich am Eingang das Zelt aufschlagen sollte, da stand nämlich schon eines. Aber man wird ja allzu bequem durch die ganzen Annehmlichkeiten des Hotellebens, ich fuhr doch noch die 30 km bis Kermanshah. Das Hotel Azadegan, das ich mir aus dem Reiseführer rausgesucht hatte, wurde gerade renoviert, aber ein Zimmer konnte man trotzdem bekommen. Unverschämte 2,4 Millionen Rial wollte der Besitzer haben, das ist fast soviel wie für die 3 Tage Isfahan zusammen, eigentlich wollte ich schon gehen. Allerdings war ich nach fast 600 km ziemlich fertig und konnte mich nicht dazu überwinden, noch einmal auf die Suche zu gehen. Das Zimmer selbst ist gut, Internet geht auch, in ein paar Tagen habe ich den Wucherpreis vergessen. Nur muss ich jetzt in Täbris noch einmal Geld wechseln, das ist ärgerlich. Später überlege ich mir noch, wie ich morgen weiterfahren werde. Mit dem Reservetag aus meiner Planung könnte ich mir bis Täbriz 2 Tage Zeit nehmen, in einem ist das sowieso nicht zu schaffen.  Von Kermanshah bis Bagdad sind es Luftlinie keine 270 km, so dicht an der irakischen Grenze wie Martina mit ihren beiden Begleitern muss es nicht sein. (Track28)
    eigentlich wollte ich nur die Berge um Khorramabad herum ablichten

    doch dann mal wieder ein "Iranischer Autokönner"

    Dienstag, 26. September 2017

    Isfahan

    Isfahan ist eine sehr alte Siedlung mit Ursprüngen schon vor der Achämeniden-Zeit. Seine Blütezeit erreichte Isfahan, als der Safaviden-Herrscher Shah Abbas I. sie zur Hauptstadt ernannte, um den ständigen Angriffen der Osmanen auf Nordwestiran zu entgehen. 1605 ließ er 30000 Armenier aus dem zerstörten Jolfa in die südliche Vorstadt Neu-Jolfa umsiedeln. Diese waren begabte Handwerker und verfügten als Händler über gute Verbindungen in alle Teile der Welt. Mit Anlage des Meydan mit seinen prächtigen Moscheen, zahlreichen Palästen und Gartenanlagen sowie den Brücken erlangte Isfahan im 17.Jahrhundert den Ruf einer der schönsten Städte der Welt. Heute leben hier 2 Millionen Menschen. Nach dem Frühstück schaltete ich das Navi an, um das Hotel wieder zu finden, und suchte diesen berühmten Platz. Er heißt eigentlich Meydan-e Imam, aber selbst wir Europäer kennen ihn seit den Massenprotesten gegen die USA als Meydan. Der Platz ist 524 x 160 m groß, und ist beim Freitagsgebet rappelvoll. An seinem einen Ende ist der Eingang zum Bazar, am andern Ende steht die große Moschee. Auf den beiden Längsseiten stehen die königliche Residenz, Ali Qapu, und die Lotfollah-Moschee. Rings um den Platz verlaufen doppelstöckige Arkaden mit Geschäften, man kann also wunderbar immer im Schatten laufen. Zuerst besichtigte ich die Große Moschee, weil die mittags geschlossen ist. Im großen Innenhof (68 x 53 m) stand ein Zelt für das Gebet am Abend. Zum Teil wurde gerade restauriert, u.a. die große Kuppel, aber das tat dem Besuch keinen Abbruch. Vier überkuppelte Hallen sind durch Arkadenwände verbunden, die gesamte Außenfassade ist mit Fliesen auf blauem Grund mit floralen Ornamenten in Gelb- und Grün-Tönen verkleidet. Es sollen 472550 Fliesen verbaut worden sein. In der südwestlichen Nebenhalle befindet sich ein für Moscheen außergewöhnliches Fliesenfeld mit Pflanzen, Tieren und Wasser, als befände man sich im Paradies. Üblicherweise werden wegen des Bilderverbots in Moscheen nur geometrische und stilisierte Motive benutzt. Vor der Moschee war eine Aktion des Iranischen Militärs, um ihr Image aufzupolieren und neue Rekruten zu werben. Ich war ja zu Anfang etwas scheu, aber dann habe ich doch gefragt, ob ich Fotos machen darf, und das war kein Problem. Anschließend ging es erst mal unter die Arkaden in einen kleinen Hof für einen Capucchino. 2 Euro, ganz schön teuer, aber hier sind ja auch viele Touristen, insbesondere auch Deutsche. Immer wieder haben mich Iraner angesprochen und wollten mich dazu bewegen, in ihren Laden zu kommen. Am nettesten war eine Iranerin, die nicht nur im Shop verkauft, sondern auch noch Englischlehrerin war und es auch wirklich perfekt sprach. Ich ging dann die Ostandari und Ferdow St. runter bis zu einer der Brücken am Zayandeh Rud. Dieser bringt im Winter und Frühjahr das Wasser aus den Bergen, war aber leider um diese Jahreszeit ausgetrocknet. Am Flussbett entlang ging ich zur Pol-e Khadjou, der schönsten Brücke von Isfahan. Dort legte ich mich unter einen der 23 Brückenbögen und las Frederick Forsyths "Die Akte Odessa". Nach einer Weile fing ein Mann zwei Bögen weiter an zu singen, das war sehr romantisch. Am Abend versammeln sich hier die jungen Leute. Auf der andern Seite des Flusses ohne Wasser ging ich dann zur Si-o Se Pol mit ihren insgesamt 33 Bögen. Dazwischen hatte ich noch Kontakt mit einem Pärchen in meinem Alter, sie wohl Italienerin, er keine Ahnung, die echt ein Knaller waren, weil sie sich über alles gefreut haben. Er hat sein Motorrad mit amerikanischen Schildern in Düsseldorf stehen, sie lebten 10 Jahre in Italien, und Iran fanden sie einfach nur toll. Von meiner Tour waren sie dann auch ganz begeistert. Über den Chahar Bagh Abbasi, die Haupteinkaufsstraße, ging es dann wieder zurück zu meinem Hotel. Es ist kein Problem im Iran, Männer zu fotografieren, viele wollen das sogar. Gerade in Isfahan gibt es sehr viele junge und ausgesprochen hübsche Frauen, aber nach einigen Ablehnungen am Anfang des Urlaubs will ich nicht jedes Mal einen Korb bekommen, wenn ich frage, ob ich sie fotografieren darf. Die meisten sind total zurechtgemacht, haben große, dunkle Augen und lachen einen im Vorbeigehen an. Für unbemerkte Fotos reicht mein 200er Tele nicht aus. Also leider, ich behalte die schönen Frauen im Gedächtnis, aber ihr müsst selbst herkommen, wenn ihr sie sehen wollt. Jetzt habe ich erst mal ausgiebig zu Abend gegessen, Suppe, Salat, Reis und Hühnchen, zusammen mit einer Cola für weniger als 5 Euro, jetzt versuche ich noch ein paar Bilder hochzuladen. Morgen geht es dann in den Bazar und vielleicht noch den Ali Qapu, ansonsten lasse ich mich ein wenig treiben.
    Eingang zur Großen Moschee
    der Meydan ist riesig
    die Amis sind hier Feind Nr.1 - hinten der Ali Qapu
    südwestliche Nebenhalle
    Haupthalle unten ....
    und oben die Kuppel
    Fliesen soweit das Auge reicht
    die große Ausnahme in einer Moschee: Tiere und Pflanzen
    das Gebetszelt für die Abendveranstaltung
    die beiden "Chefs" sind überall zu sehen
    wir sind auch stark
    im Krieg mit dem Irak sind viele Iraner gefallen
    hilflos dem Giftgasattacken von Saddam ausgeliefert
    Reisen verbindet Völker - hier ein Niederländer auf dem Meydan
    das iranische Modell einer Harley - mit maximal 250 ccm
    die schattigen Plätzchen unter der Brücke
    die Pol-e Khadjou ohne Wasser
    der Sänger unter der Brücke
    Si-o Se Pol - die Brücke mit 33 Bögen
    hier flaniert man oder sitzt in den Nischen
    Nach dem Frühstück lief ich Richtung Meydan und kam durch Zufall durch einen Seiteneingang zum Palast Chehel Sotun. Dieser "Palast der 40 Säulen" ist neben dem Palast Hasht Behesht ("die 8 Paradiese") der letzte der in der Safaviden-Zeit zahlreich gebauten Gartenpaläste. Der Bau geht auf Abbas den Großen zurück und wurde von Shah Abbas II. 1647 vollendet. Im Wasserbecken spiegelten sich die 20 Holzsäulen, was den Namen erklärt. Heute war allerdings - wie ich später feststellte - überall freier Eintritt in die Sehenswürdigkeiten, und entsprechend voll war es dann auch. Viele Schulklassen gab es besonders hier im Palast, zeitweise war in den Innenräumen gar kein Platz mehr. Die Lehrer hatten eine Trillerpfeife, und auch wenn die Kinder außer Rand und Band waren, wenn die Lehrer etwas sagten, dann taten sie es. Im Hauptsaal gab es eine Menge restaurierte Wandmalereien vom höfischen Leben und Gartenszenen, außerdem werden einige Empfangsszenen und die Schlacht gegen die Uzbeken und Osmanen dargestellt.
    Durch den schönen Park ging es dann zum Palast Ali Qapu, ebenfalls ohne Eintritt. Über den Thronsaal und die Privatgemächer in den oberen Stockwerken geht es in das sechste Geschoss, dessen Wände mit bemalten Stuckelementen in Form von Krügen und Vasen ausgeschlagen sind und in dem früher Musikveranstaltungen stattfanden. Vom Balkon bzw. Terrasse hat man einen hervorragenden Blick auf den Meydan.
    Direkt gegenüber liegt dann die kleine Privatmoschee des Herrschers, die Lotfollah-Moschee, die 1616 vollendet wurde. Über zwei mit Fayence-Fliesen verkleidete Gänge kommt man in den großartigen Kuppelsaal. Das ist sicher die schönste aller Moscheen, die ich bisher gesehen habe. Über die Arkaden ging es dann weiter zum Bazar durch den Haupteingang, das Qeisariyeh-Tor aus dem Jahr 1617. Ich war froh, mich nicht verlaufen zu haben, so unübersichtlich ist das Gassengewirr. Da wurde gehämmert und geklopft, der Schmied war bei der Arbeit, es roch überall nach Gewürzen und Nougat wurde angeboten, Schmuck und Teppiche wurden verkauft, Mütter standen in den Läden mit Babysachen, und dazwischen gab es immer mal wieder einen Stand mit Tee. Orientalisches Leben, wie man es sich vorstellt, und alles schön kühl, weil überdacht. Irgendwann musste ich dann doch wieder raus ins grelle Sonnenlicht, um zur Freitagsmoschee zu kommen. Es war gerade Mittagsgebet, so dass die Kuppel der Moschee selbst nicht zugänglich war. Schon Mitte des 9.Jh. stand hier eine Moschee, die heutige Vier-Iwan-Hofmoschee stammt aus dem 11.Jh. Der Hof selbst misst 55 m Breite und 67 m Länge, die beiden Minarette stehen am Süd-Iwan, der auf Grund seiner Höhe den Blick auf die dahinter liegende Backsteinkuppel verdeckt. Die Freitagsmoschee, Masdjed-e Djameh, liegt im Stadtteil Joubareh und mitten zwischen den engen Gassen des Bazars. Durch die ging ich dann langsam wieder zum Hotel zurück, nicht ohne mir noch ein leckeres Eis zu gönnen.
    Erneut fielen mir auf dem  Weg mehrere junge Iranerinnen auf, die ein Nasenpflaster trugen. Jetzt war ich aber doch mal neugierig, was es denn damit auf sich hat. Iranerinnen sind trotz des Kopftuches besonders modebewusst. Insbesondere das Gesicht, das vom Tuch nicht verdeckt wird, wird entsprechend aufgemotzt durch Makeup, Schminke, Lippenstift, gezupfte und gestylte Augenbrauen, überlange Wimpern und nicht zuletzt ein Nasenpflaster. Es ist geradezu in, sich etwa in Teheran die Nase verschönern zu lassen. Wer sich das nicht leisten kann, der klebt einfach ein Nasenpflaster auf den Nasenrücken und tut so als ob! Ihr seht, da unterscheiden wir uns gar nicht von den Menschen im Iran.
    der Palast der 40 Säulen
    Kampfszenen vor rund 400 Jahren
    es ging aber auch beschaulich im Garten zu
    wer will mit aufs Foto?
    Mädchenklassen sind natürlich auch dabei
    Treppenaufgang im Palast Ali Qapu
    Musikzimmer im sechsten Stock
    Blick vom Balkon auf die Lotfollah Moschee
    Kuppel der Lotfollah Moschee
    Fayence-Fliesen in der Lotfollah Moschee
    kurze Pause nach der Besichtigung
    das Eingangstor zum Bazar
    hier gibt es einfach alles
    im Schatten lässt es sich gut flanieren
    die Familien sind hier größer, die Töpfe auch
    von außen ist die Freitagsmoschee ein schlichtes Backsteinbauwerk
    aber innen ist sie als Vier-Iwan-Hofmoschee sehr großzügig
    Nachdem ich schon mal die Bilder für den Blog ausgesucht und mich ein wenig erholt hatte, stapfte ich bei Dämmerung noch einmal los. Als ich zur Rezeption kam, schaute der Mann dort interessiert auf die Glotze: eine riesige Menschenmenge mit Fahnen auf dem Meydan. Ich fragte noch einmal nach, ja, das findet hier in Isfahan auf dem großen Platz statt. Kaum trat ich vor die Tür, war ich schon mittendrin in einem schwarzen Strom von Menschenmassen, die alle dem Meydan zuströmten. Zuerst hielt ich mich noch ein wenig auf der Seite, aber nachdem auch die Fahnenschwenker und Polizisten keinen bösen Blick auf mich warfen, traute ich mich immer mehr. Der riesige Platz vor den Moscheen bis zum Bazar war fast restlos voll mit Menschen, die im Zentrum fahnenschwenkend standen oder im Kreis gingen und darum herum auf der Wiesen oder den Mäuerchen saßen. 4 junge Mädels klärten mich bei laufender Videokamera auf: ein junger Iraner würde gefeiert, der in Syrien für sein Heimatland gekämpft und dabei den Tod gefunden hätte. Sie zeigten mir sein Bild, und gaben mir eine mehrseitige Broschüre über ihn, die ich mangels Farsi-Kenntnissen später an den Mann an der Rezeption weiterreichte. Zum Schluss wollten sie noch von mir ein Bild machen, bei dem ich ein Plakat mit dem Konterfei des gefeierten jungen Kriegshelden in den Händen halte. Die Mädels waren so nett und ganz ohne Berührungsängste, da habe ich einfach mal getan, was sie wollten. Ich schätze mal, das wird dann irgendwann in einer Schülerzeitung veröffentlicht, sonst hätten sich die Mädels nicht so eine Mühe gegeben. Für die mindestens 100000 Isfahanis, die sich da versammelt hatten, war das ein großes Volksfest, die Kinder waren auch dabei. Klar gab es auch einige Lautsprecherwagen auf dem Weg zum Meydan, da stand dann etwas gegen den Erzfeind USA auf Plakaten, aber die Menschen selbst blieben alle ganz ruhig und waren ausgesprochen fröhlicher Stimmung. Im Zentrum gab es einen Sprecher, aber der war auch ruhig und heizte die Stimmung nicht ein. Was er gesagt hat, konnte ich natürlich nicht verstehen. Auf dem Weg nach draußen sprach mich dann ein junger Mann an und bestätigte mir das, was die Mädels gesagt hatten. Als ich ihm erzählte, wieviel Geld ich für die Reise ausgeben würde, konnte er das gar nicht fassen. Uns geht es wirklich gut, das musste ich da wieder feststellen. Anschließend wollte er mit mir noch eine Fahrradtour mit Leihrädern machen, aber ich lehnte höflich ab; nicht nur, dass ich mein Navi nicht dabei hatte und es inzwischen dunkel war, mein Kopf ist kurz vor dem Platzen von den vielen verschiedenen Eindrücken in Isfahan.  Ich bin froh, wenn ich morgen wieder alleine auf meinem Motorrad sitze und das Erlebte verarbeiten kann. Ich will erst mal nach Hamadan, falls ich es soweit schaffe. Martina, Hartmut und Helmut sind wohl dicht an der irakischen Grenze gefahren, aber alleine ist mir das zu unsicher.
    Volksfeststimmung auf dem Meydan
    überall wo Platz ist, lässt man sich nieder
    Kind und Kegel sind auch mit dabei
    alles in schwarz, nur die Fahnen sind farbig
    je näher zur Großen Moschee, desto voller wird es